Gemischte Ergebnisse von der 28. ICCAT-Kommissionssitzung in Kairo

22. November, 2023

Zwei Schritte vorwärts, einen Schritt zurück für die Haie im Atlantik?

Kairo / München / Heusenstamm / Zürich / Genf, 22. November 2023.

Auf ihrer 28. ordentlichen Tagung hat sich die Internationale Kommission für die Erhaltung der Thunfischbestände im Atlantik (ICCAT) auf eine Reihe von Management Maßnahmen für Haie geeinigt und vereinbart, damit zu beginnen Strategien zur Sicherstellung einer nachhaltigen Befischung von Blauhaien zu entwickeln. Die Naturschutzorganisationen Sharkproject, Pro Wildlife und Gallifrey Foundation kritisieren die vereinbarten Fangreduzierungen für Blauhaie als unzureichend, um gesunde Haipopulationen im Atlantik zu erhalten. Die Europäische Union weigerte sich die Fangmengen auf ein Niveau zu reduzieren, das mehr als nur eine 50/50 Chance erlaubt die Überfischung zu beenden und einen überfischten Zustand langfristig zu verhindern und ist dabei für den Löwenanteil des Blauhaifangs in beiden Teilen des Atlantiks verantwortlich.

"ICCAT hat sich darauf geeinigt, die jährlichen Höchstfangmengen für Blauhaie im Nordatlantik auf 30.000 Tonnen zu begrenzen - eine Menge, die deutlich höher ist als die tatsächlichen Fangmengen seit 2019, und das, obwohl dieser Bestand mit fast 50-prozentiger Wahrscheinlichkeit bereits überfischt ist. Wir sind dem Vereinigten Königreich von Großbritannien jedoch sehr dankbar für die Verbesserungen, die dank seiner unermüdlichen Bemühungen für eine niedrigere Fangmenge erzielt werden konnten. Die reduzierte TAC (zulässige Gesamtfangmenge) von 27.711 Tonnen für den Südatlantik wird die Überfischung der Blauhaie im Süden stoppen, und ICCAT ist nunmehr verpflichtet nachhaltige Fangstrategien für beide Bestände zu prüfen", fasst Dr. Iris Ziegler von Sharkproject zusammen. Fortschritte wurden auch für mehrere Rochenarten und für die Walhaien erzielt, da deren Fang und Vermarktung ab 2025 verboten werden. Eine Empfehlung, die vorschreibt, dass die Flossen auf natürliche Weise am Haikörper verbleiben müssen, um die grausame Praxis des ‚Finning‘ zu beenden, scheiterte erneut am Widerstand Japans. Die ICCAT-Tagung fand vom 13. bis 20. November in Kairo, Ägypten, statt. Aufgrund des Konflikts im Gazastreifen waren viele, aber nicht alle Mitgliedstaaten persönlich anwesend.

Ein Schritt vor und ein Schritt zurück für die Blauhaie

Blauhaie werden von der IUCN weltweit als ‚an der Grenze zur Bedrohung‘ eingestuft. Im Mittelmeer werden sie als ‚vom Aussterben stark gefährdet‘ eingestuft, und weltweit sind sie die am stärksten befischte Haiart (gemeldete Anlandungen von 189.783 t im Jahr 2019, d. h. über sieben Millionen Blauhaie) mit einem wirtschaftlichen Wert von 411 Mrd. USD, der somit den geschätzten ab Schiff Wert aller drei Arten von Rotem Thun übersteigt. Anders als Thunfisch und thunfischähnliche Arten werden Blauhaie im Atlantik kommerziell befischt, ohne dass entsprechende Bewirtschaftungsmaßnahmen zur Begrenzung der fischereibedingten Sterblichkeit festgelegt wurden. Dies führte dazu, dass sich die fortpflanzungsfähige Biomasse der beiden atlantischen Blauhaibestände in den letzten 50 Jahren fast halbiert hat, wobei ICCAT seit 2007 Fänge von mehr als 50.000 Tonnen jährlich berichtet hat.

Im Vorfeld des diesjährigen Treffens hatten die Gallifrey Foundation, Pro Wildlife und Sharkproject dringend notwendige Fortschritte für die Erhaltung der Haibestände im Atlantik gefordert, insbesondere die Verabschiedung von Maßnahmen zur Verringerung der Fangmengen an Blauhaien in Verbindung mit der Entwicklung von Fangstrategien, die eine langfristig nachhaltige Bewirtschaftung der überfischten Bestände gewährleisten. Die Bestandsabschätzungen für 2023 kamen zu dem Schluss, dass der Bestand im Norden möglicherweise bereits überfischt ist (49,6 % Wahrscheinlichkeit gegenüber 49,7 %, dass dies nicht der Fall ist), während der Bestand im Südatlantik im Rahmen der derzeitigen Fangmengen eindeutig einer Überfischung ausgesetzt ist. Darüber hinaus hatten die Organisationen auf Maßnahmen für andere bedrohte Hai- und Rochenarten gehofft, die als Beifang in den ICCAT-Fischereien gefangen werden.

In einem kürzlich in Auftrag gegebenen Rechtsgutachten wird die Verpflichtung aller Staaten im Rahmen von UNCLOS und UNFSA zur nachhaltigen Bewirtschaftung kommerziell genutzter Haie wie Blauhai und Kurzflossenmakohai hervorgehoben, auch wenn diese im Zuständigkeitsbereich der regionalen

Fischereimanagementabkommen für Thunfische als sogenannte sekundäre Zielarten gefangen werden. Zudem werden die gültigen Anforderungen des Washingtoner Artenschutzabkommens (CITES) zusammengefasst, da Blauhaie ab dem 25. November in den Anhang II von CITES aufgenommen werden.

Die Artenschutzorganisationen forderten daher, dass der SCRS, der wissenschaftliche Ausschuss von ICCAT, mit der Evaluierung möglicher Bewirtschaftungsstrategien (MSE) für beide Bestände beauftragt wird - eine längst überfällige Aufgabe. Blauhaie werden gezielt gefangen und sollten daher auch entsprechend bewirtschaftet werden, anstatt sie wie bisher nur als Beifang zu behandeln, für den weniger strenge Anforderungen gelten. Im Einklang mit wissenschaftlichen Erkenntnissen und der derzeitigen Praxis bei ICCAT für andere Zielarten muss zumindest eine 60-prozentige Wahrscheinlichkeit gewährleistet sein, dass die Bestände innerhalb der nächsten zehn Jahren nicht überfischt werden oder sich die Bestände in einem überfischten Zustand befinden. Daher sollte die zulässige Gesamtfangmenge (TAC) für den Norden nicht über das derzeitige Fangniveau hinaus erhöht und für den Süden auf 25.000 Tonnen festgesetzt werden.

EU lehnt Vorsorgeprinzip für Haie erneut ab

"Wir begrüßen es sehr, dass die Europäische Union für die Kommissionssitzung Vorschläge für beide Bestände vorgelegt und die Entwicklung eines MSE-Rahmens gefordert hat, aber die Festsetzung der TAC auf ein Niveau, das nur 51 % Wahrscheinlichkeit für das Erreichen des Bestandsziels in 2033 bietet und diese Wahrscheinlichkeit in den Jahren zuvor sogar unter 50 % sinken lässt, entspricht nicht dem Vorsorgeansatz und könnte von anderen Staaten als Präzedenzfall dafür angesehen werden, dass sich die EU nicht an die wissenschaftlichen Empfehlungen hält", so Dr. Sandra Altherr, Biologin bei Pro Wildlife. Das Vereinigte Königreich von Großbritannien hatte einen Vorschlag in Einklang mit den wissenschaftlichen Empfehlungen für den nördlichen Bestand vorgelegt, die Fangmengen auf dem derzeitigen Niveau zu halten. Dies hätte dem Vorsorgeansatz entsprochen damit dieser Bestand mit hoher Wahrscheinlichkeit weder überfischt ist noch der Überfischung ausgesetzt wird, die bevorzugte Option. Nach langwierigen Verhandlungen und Debatten mit den Entwicklungsländern über einen gerechten Anteil bei der Quotenzuteilung wurde aber schließlich ein Kompromiss vereinbart, der die Fangmenge auf 30.000 t begrenzt und der Europäischen Union mehr als 24.000 t diese Fangmenge zuteilt.

Die Organisationen begrüßen es, dass der wissenschaftliche Ausschuss von ICCAT beauftragt wurde, die Entwicklung eines Bewirtschaftungsrahmens für beide Bestände bis 2025 zu prüfen, was einen großen Schritt nach vorn darstellt, ebenso wie die Zueilung von Fangquoten für die jeweiligen Fangnationen, die nunmehr sowohl im Nord- als auch im Südatlantik erfolgte, um ein Überschreiten der vereinbarten TACs zu verhindern.

"Wir sind allerdings besorgt, dass der vereinbarte Kompromiss für den Norden eine Wahrscheinlichkeit von weniger als 60 % bedeutet, dass dieser Bestand bis 2029 nicht in einem überfischten Zustand ist, und dass die Europäische Union zu keinem wissenschaftsfundierten Kompromiss bereit war, für den sich das Vereinigte Königreich mit Nachdruck eingesetzt hat", kommentiert Dr. Iris Ziegler von Sharkproject. Sie fragt auch, "warum die spanische Fischerei darauf besteht, ihre Quoten für sogenannten 'Papierfisch' nicht aufzugeben, wenn sie angeblich nicht vorhat, diese Quoten auch in Zukunft nicht zu nutzen, etwa um die erforderlichen Fangmengenreduzierungen im Südatlantik, durch höhere Fänge im Norden auszugleichen?" Dies war auch von mehreren Entwicklungsländern kritisiert worden, da weder die Europäische Union noch Japan die ihnen zugeteilten Quoten seit 2019 tatsächlich gefangen haben und daher die vom Vereinigten Königreich vorgeschlagene niedrigere TAC realisiert werden hätte können, ohne dass sich die Fangnationen zu einer tatsächlichen Reduzierung der aktuellen Fänge hätte verpflichten müssen - "eine einmalige Chance, die es nicht mehr gegeben wird, wenn die nächste Bestandsabschätzung im Jahr 2028 bestätigt, dass sich der Bestand in einem überfischten Zustand befindet", so Dr. Iris Ziegler.

Eine Pause für Blauhaie im Südatlantik

Nachdem in der Vergangenheit in Ermangelung verbindlicher Grenzen die tatsächlichen Fänge als nicht nachhaltig zu bezeichnen sind, einigte sich die Kommission erstmals auf eine Aufteilung der vereinbarten Fangmengen auf die einzelnen Fangnationen, um die Überfischung von Blauhaien im Südatlantik zu beenden. Es wurde eine TAC von 27.711 t vereinbart, die zumindest bis 2029 den Bestand mit einer zuwenigst 60-prozentigen Wahrscheinlichkeit im grünen Bereich hält, d. h. weder überfischt wird und sich in einem überfischten Zustand befindet. Dieses Ergebnis ist ein wichtiger Fortschritt für die Erhaltung dieses Bestands und wurde möglich, nachdem sich die Entwicklungsländer, insbesondere Brasilien und Namibia, bereit erklärt hatten, ihre jüngsten Fangmengen im Interesse einer nachhaltigen Bewirtschaftung dieses Bestands zu reduzieren. Sie beklagten jedoch deutlich, dass die von ihnen zu erreichenden Reduzierungen sozioökonomisch schwierig sind, während mehr als zwei Drittel der Gesamtfangmenge an die industriellen Fischereinationen vergeben werden. Die Europäische Union – die größte Fangnation von Blauhaien in beiden Teilen des Atlantiks - erhielt eine Zuteilung von

17.405 Tonnen. Antoinette Vermilye, Mitbegründerin der Gallifrey Foundation, ist ebenfalls der Meinung, dass "Entwicklungsländer Vorrang vor Industrienationen hätten haben sollen, um ihre derzeitigen Fangmengen behalten zu können und einen gerechten Zugang zu den Meeresressourcen zu gewährleisten, zumal dies ohne Gefährdung der Schutzziele als Solches möglich gewesen wäre."

Verbot des Abtrennens von Haifischflossen gescheitert - aber gute Nachrichten für Walhaie und Mantarochen

Wieder einmal hat es ICCAT versäumt, diese weltweit anerkannte wirksamste Maßnahme zur Verhinderung von ‚Finning‘ und zur Verfolgung von Verstößen einzuführen. Die Maßnahme schreibt vor, dass alle Haie samt aller Flossen auf natürliche Weise am Tierkörper verbleibend angelandet werden müssen. Der Vorschlag wurde von den Vereinigten Staaten eingebracht und von 25 weiteren Staaten unterstützt. "Wir sind sehr enttäuscht, dass diese lebenswichtige Maßnahme zum Schutz der Haie - nach 15 Jahren gescheiterter Versuche - erneut abgelehnt wird, weil Japan und China die Maßnahme blockieren. Das ist nicht nur frustrierend, sondern zeigt auch, wie ein einzelner Staat Fortschritte beim ICCAT verhindern kann, wenn Maßnahmen stets im Konsens angenommen werden müssen", erklärt Antoinette Vermilye. "Das verhindert oftmals wichtige Fortschritte - wie in diesem Fall ganz offensichtlich."

ICCAT verabschiedete außerdem Maßnahmen, die den Fang und die Vermarktung von Mantas, Mobularochen und Walhaien ab 2025 verbieten, nachdem eine entsprechende wissenschaftliche Empfehlung in 2024 erstellt wird. Dieser zusätzliche Verfahrensschritt wurde von Japan beantragt, obwohl diese bedrohten Rochen zweifelsohne unter die bestehende SCRS-Empfehlung beim ICCAT fallen von "biologisch besonders gefährdete Arten, bei denen die Erhaltung des Bestandes nicht gesichert ist und für die es nur sehr wenige Daten gibt". Die neuen Maßnahmen sollen bestehende Lücken zum Schutz dieser weltweit überfischten Arten schließen, deren Fang in anderen regionalen Fischereimanagementorganisationen für Thunfisch bereits verboten wurde.

Die nächste reguläre Tagung der ICCAT wird im November 2024 in Zypern stattfinden.


Für weitere Informationen wenden Sie sich bitte an

Dr. Iris Ziegler, Sharkproject

Internationalen Zusammenarbeit  

+49 174-3795190, i.ziegler@sharkproject.org

Dr. Sandra Alther, Pro Wildlife  

Leitende der Wissenschaft

+49 174 217 5054, sandra.altherr@prowildlife.de 

Antoinette Vermilye, Gallifrey-Stiftung    

Mitbegründerin | Wheres-the-fish    

antoinette@gallifrey.foundation  

 

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