Ein internationales Forschungsprojekt mit dem Ziel, die letzten verbliebenen Weißen Haie im Mittelmeer aufzuspüren und zu schützen.

Die letzten Weißen Haie im Mittelmeer

Von jeher lösen Weiße Haie eine unglaubliche Faszination in uns aus, gleichzeitig sind sie wohl aber die die am meisten gefürchtete und missverstandene Spezies im gesamten Ozean. Über die letzten Jahrzehnte haben mehr und mehr Wissenschaftler sich dieser Art verschrieben und konnten bereits viele spannende Geheimnisse dieser Art lüften. Südafrika, Australien und Guadeloupe sind nur einige der weltweit bekannten Hotspots, die zahlreichen Forscher und abenteuerlustige Touristen anziehen.

Was viele allerdings überrascht ist, dass Weiße Haie einst auch in hoher Anzahl und weitverbreitet im Mittelmeer vorkamen. Historische Aufzeichnungen legen nahe, dass die Spezies relativ zahlreich in den meisten Regionen des Mittelmeers zu finden war, die Zahlen allerdings drastisch zurückgegangen sind in den letzten 50 Jahren als Folge intensiver industrieller Fischerei. Das Mittelmeer ist heute eins der am stärksten überfischten Gebiete und damit eins der „gefährlichsten“ Gewässer für Haie und andere große Räuber des Meeres. Da ist es nicht verwunderlich, dass die Population im Mittelmeer vom IUCN als „vom Aussterben bedroht“ eingestuft wurde – nur eine Kategorie entfernt von „ausgestorben“.

Verglichen mit anderen regionalen Populationen, wissen wir extrem wenig über Weiße Haie im Mittelmeer. Die meisten Informationen beruhen auf zufälligen Sichtungen und Daten von Fischern. Wichtige Informationen, um diese Art gezielt zu schützen, fehlen uns bis heute – Wohin wandern sie? In welcher Tiefe halten sie sich wann auf? Gibt es saisonale Unterschiede? Wo sind die „Kinderstuben“? Wovon ernähren sie sich? Wie viel sind übrig?

Um diesen Fragen auf den Grund zu gehen, hat sich ein Team von weltweiten Experten unter der Leitung von Dr. Francesco Ferretti zusammengetan und ein Projekt ins Leben gerufen, mit dem Ziel, die letzten Weiße Haie im Mittelmeer aufzuspüren und zu schützen. Basierend auf historischen und kürzlichen Sichtungen wurde die Straße von Sizilien zwischen Italien und Tunesien als potenzieller „Hotspot“ identifiziert. Hier wird sogar eine „Kinderstube“ vermutet, da Fischer immer wieder von jungen und frisch geborenen Individuen berichten. Die letzten vier Sichtungen (Stand Mai 2022) von lebenden Weißen Haien kommen alle aus dieser Region. Zusätzlich finden sich hier jedes Jahr große Schwärme von Thunfisch zusammen, potenzielle Beute Weißer Haie im Mittelmeer.

Das Projekt ist eine gemeinschaftliche Initiative verschiedener Wissenschaftler und Institutionen aus der EU, USA und anderen Ländern. Das Team sucht zum allerersten Mal aktiv nach dieser Spezies, um sie besser verstehen und schützen zu können. Diese Art benötigt dringen unseren Schutz, bevor es zu spät ist. Immer wieder gibt es Berichte von ausgewachsenen Exemplaren, die vereinzelt in die Netze der Fischer gehen. Deswegen sind wir gefragt, jetzt zu handeln, um das Fortbestehen der letzten Weißen Haie im Mittelmeer zu sichern.

Hintergrundinformationen über das Projekt

Projektziele

  • Identifikation potenzieller Hotspots für Weiße Haie im Mittelmeer anhand historischer und kürzlicher Sichtungen und Fischereiberichten
  • Mit Hilfe von moderner Feldforschung (z.B. eDNA, BRUVs und Drohnen) die Bestätigung des Vorkommens Weißer Haie und eventueller "Kinderstuben" innerhalb potenzieller Hotspots
  • Erste wissenschaftliche Aufzeichnung von Weißen Haien im Mittelmeer
  • Sammeln wichtiger biologischer Daten, die Aufschluss über Verbreitung und Verhalten dieser Tiere liefern können
  • Zum allerersten Mal überhaupt einen Weißen Hai im Mittelmeer mit einem Satellitensender ausstatten
  • Basierend auf den gesammelten Daten, Prozesse für den Schutz und das Management dieser Spezies auf politischer Ebene anstoßen

Dauer des Projektes

Das Projekt wurde mit dem Bestreben ins Leben gerufen, ein langfristiges Forschungs- und Überwachungsprojekt für Weiße Haie im Mittelmeer zu etablieren. Oberstes Ziel ist es dabei ein Nachhaltiges Netzwerk von Wissenschaftlern, NGOs und anderen Parteien zu schaffen, welches der Erforschung, dem Schutz und Wiederherstellung dieser Art zu Gute kommt.

Ort

Das Projekt wird von Dr. Francesco Ferretti von der Virginia Tech in den USA geleitet. Alle Feldarbeit und Expeditionen finden im Mittelmeer statt.

SharkPulse

SharkPulse ist eine Datenbank für Haisichtungen weltweit. Auf der Website oder in der mobilen App kann jeder von überall aus Haisichtungen eintragen und Fotos hochladen. Diese sogenannten „Citizen Science“-Daten sind für die Forschung extrem wertvoll und können dabei helfen, Hotspots für bedrohte und seltene Haiarten zu identifizieren.

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler

Projektleitung

  • Dr. Francesco Ferretti (Ass. Prof. Department of Fish and Wildlife Conservation, Virgina Tech, USA)

Beteiligte

  • Taylor Chapple (Stanford University, USA)
  • Austin Gallagher (Beneath the Waves)
  • Robert Schaellert (Tag-a-Giant/Stanford University, USA)
  • Brendan Shea (Virginia Tech, USA)
  • Chiara Gambardella (Virginia Tech, USA)
  • Jeremy Jenrette (Virginia Tech, USA)
  • Stefano Moro (La Sapienza University of Rome/Stazione Zoologica Anton Dohrn, Italy)
  • Barbara Block (Stanford University, USA)
  • David Curnick (Zoological Society London, England)
  • Enrico Gennari (Oceans Research, South Africa)
  • Dan Stilwell (Virginia Tech, USA)
  • Simone Chesi (Virginia Tech, USA)
  • Kobun Truelove (Monterey Bay Aquarium Research Institute, USA)

Sharkproject Unterstützung

  • Jan Bierwirth - M.Sc. in Applied Marine Ecology and Conservation

Sponsoren und Partner

  • Virginia Tech, USA
  • Center for Coastal Studies, Virginia Tech, USA
  • Global Change Center, Virginia Tech, USA
  • Stazione Zoologica Anton Dohrn, Italy
  • Sharkproject International
  • Yachts for Science, UK
  • The Explorers Club, USA
  • Discovery Channel, USA
  • Stanford University, USA
  • Beneath the Waves, USA
  • Oregon State University, USA
  • TAG a Giant, USA

Technologische Aspekte

Das Projektteam setzt vor allem auf innovative und wissenschaftlich erprobte Methoden, um die Chancen für das Aufspüren der Haie zu erhöhen. Auch, wenn manche Methoden zuerst recht komplex klingen mögen, gibt es hier eine vereinfachte Übersicht der Methoden, die auf den ersten beiden Expeditionen eingesetzt wurden:

eDNA-Analyse

Die Analyse von eDNA-Proben (dt. Umwelt-DNA; vom engl. Environmental-DNA) ist eine vergleichsweise junge Methodik, die Wissenschaftlern dabei hilft, die Präsenz bestimmter Arten nachzuweisen. Jedes Lebewesen im Meer hinterlässt kleinste organische Spuren, die genetische Informationen in Form von DNA enthalten. Nimmt man nun eine Wasserprobe, kann man diese Spuren filtern und mit Hilfe eines Analysegeräts die DNA-Sequenzen bestimmen und bestimmten Arten zuordnen. So können also Arten nachgewiesen werden, ohne sie direkt „mit eigenen Augen“ zu sehen oder zu fangen – was besonders im Meer ein großer Vorteil ist.

In Bezug auf das Projekt ist diese Methode ein essenzieller Bestandteil, der dabei hilft das Suchgebiet gezielt einzuschränken, da dadurch Informationen über die Präsenz der Haie in Echtzeit ermittelt werden können.

BRUVS

Baited-remote-underwater-video systems (beköderte, autonome Unterwasserkameras) sind eine klassische und erprobte Methode in der Haiforschung, die Aufschlüsse über die Verbreitung von Haien und anderen Meeresräubern und die Artenzusammensetzung in bestimmten Gebieten gibt. Als Teil der ersten Expeditionen wurden Langleinen (ca. 1km) nahe der Wasseroberfläche ins Wasser gelassen, an denen circa alle 200m eine beköderte Kamera installiert wurde. Diese kamen vor allem in Arealen zum Einsatz, in dem mit besonders hoher Wahrscheinlichkeit Weiße Haie zu finden sind, beziehungsweise wo diese über die Analyse von eDNA bereits nachgewiesen wurden.

Deep-water BRUVS
BRUVS wurden außerdem auch knapp über dem Meeresgrund installiert, um Aufschlüsse über das Tiefenverhalten der Haie zu gewinnen.

Für die nächsten Expeditionen arbeitet das Team an weiteren innovativen Möglichkeiten, um die Chancen für das Aufspüren dieser Art weiter zu erhöhen. Dazu gehört unter anderem der Einsatz von Drohnen über und unter Wasser.

Projektverlauf

2021

  • konnte ein Team internationaler Experten und Kollaboratoren zusammengestellt werden
  • wurden historische Berichte, Fischereistatistiken und kürzliche Sichtungen zusammengetragen und ausgewertet und potenzielle Hotspots für Weiße Haie im Mittelmeer identifiziert
  • wurde die allererste Expedition überhaupt im Mittelmeer auf der Suche nach Weißen durchgeführt im Sommer 2021. Hierbei konnte zum allerersten Mal die Präsenz dieser Spezies wissenschaftlich mit Hilfe von eDNA-Analysen ermittelt werden.

2022

  • wurde eine zweite „Folgeexpedition“ durchgeführt im Frühsommer 2022 im Gebiet der Straße von Sizilien und eine etwaige dritte Expedition ist bereits für das gleiche Jahr geplant