Diesmal schauen wir uns an, welchen Bedrohungen Haie ausgesetzt sind

25. September, 2021

September: Ohne Dich geht´s nicht!

Willkommen zurück – Schön, dass ihr wieder dabei seid! Letztes Mal haben wir die Bedeutung der Haie für ein gesundes Ökosystem und die weitreichenden Konsequenzen ihres Verschwindens kennengelernt. Diesmal schauen wir uns an, welchen Bedrohungen sie ausgesetzt sind. Denn je besser wir unsere Umwelt verstehen desto effektiver können wir sie schützen.

Knorpelfische (Chondrichthyes)– also Haie, Rochen und Seekatzen – sind ein evolutionäres Erfolgsrezept. In den letzten 400 Millionen Jahren haben sie fast jede ökologische Nische unserer Ozeane für sich erobert – von der dunkelsten Tiefsee zu den sonnendurchflutenden Küstengebieten [1]. Trotz dieses evolutionären Siegeszuges sind sie nun zunehmend vom Aussterben bedroht. Das liegt vor allem an ihren Gemeinsamkeiten die sich nicht nur auf ihr Knorpelskelett beschränken. Vielmehr haben sie alle ein langsames Wachstum, späte Geschlechtsreife und niedrige Reproduktionsrate gemein [2]. Grönlandhaie (Somniosus microcephalus) sind mit einer Lebenserwartung von mehr als 500 Jahren ein plakatives Beispiel. Sie bringen erst nach circa 150 Jahren ihren ersten Nachwuchs zur Welt [3]. Viele der großen bekannten Hai-Arten produzieren außerdem nur wenige Jungtiere pro Wurf – und das auch nur alle paar Jahre [4].

Für Jahrmillionen war dies alles kein Problem. Als Spitzenjäger waren Haie nie dazu gedacht, in großer Anzahl und Populationsdichte vorzukommen. Doch nun bereitet ihr geringes Reproduktionspotential im Angesicht einer neuen Bedrohung – des Menschen – ernste Schwierigkeiten. Wir betreiben massiven Raubbau an unseren Meeren mit der Konsequenz, dass immer mehr Arten auf der Roten Liste der IUCN dem Aussterben näher rücken. Einige unserer Verhaltensweisen sind uns aus den Medien wohl bekannt, andere Themen entziehen sich noch dem Blick der Öffentlichkeit.

 

Unregulierte Fischerei

Die gezielte Jagd auf Haie lässt sich in drei Kategorien einteilen, entweder für (i) Hai-Fleisch, (ii) Hai-Produkte oder (iii) Sportfischerei. SHARKPROJECT informiert regelmäßig in laufenden und vergangenen Kampagnen über die ökologischen Konsequenzen des Konzepts „Hai als Ressource“. Die Problematik der Sportfischerei ist jedoch weitgehend eher unbekannt. Hier geht es nicht um Haie als Produkt, sondern als Prestige-Objekt.

Gerade entlang der Westküste der USA und in den Urlaubsregionen der Karibik findet das Hobby immer mehr Anklang. In den 1970er Jahren wurde der Startschuss durch den traurigen Kultklassiker „Der Weiße Hai“ gelegt [5]. Heute treiben die Sozialen Medien und die fortlaufende Suche nach dem perfekten Selfie die Industrie. Die Tourniere machen auch vor gefährdeten Arten nicht halt. Regelmäßig stehen Hammerhaie (Bogenstirn-Hammerhai Sphyrna lewini; Großer Hammerhai Sphyrna mokarran), Mako Haie (Isurus oxyrinchus), oder Fuchshaie (Großaugen-Fuchshai Alopias superciliosus; Gemeiner Fuchshai Alopias vulpinus) auf den Fanglisten. Bei allen von diesen Arten sind die Populationszahlen im Sinkflug [6]. Jedes Tier, das als Trophäe sinnlos stirbt ist ein weiterer Schritt in Richtung Aussterben.

Leider gilt je größer das Tier und je seltener die Art ist, desto besser. Für die Teilnehmer der Wettbewerbe geht es um Ansehen, Publicity und oftmals hohe Preisgelder. Für die Haie geht es um das Überleben ihrer Spezies. Denn es sind die großen Tiere die am meisten zum Erhalt der Art beitragen [7]. Werden diese fruchtbaren und geschlechtsreifen Tiere entfernt folgt oftmals der unweigerliche Zusammenbruch der lokalen Population.

 

Beifang & Geisternetze

Als Beifang werden alle nicht-beabsichtigte Fischerei-Erzeugnisse bezeichnet. Sprich, alles was im Netz landet, von der Industrie aber nicht beabsichtigt und meist auch nicht gewollt ist [8]. Der Großteil des weltweiten Fangs – Studien sprechen hier von über 40% – wird wieder über Bord geworfen, um Raum in den Laderäumen der Schiffe zu sparen [8]. Für die Tiere ist es dann meist schon zu spät. Sie sind in den Netzen und an den Langleinen der nicht-selektiven Fischerei gestorben.

Die Langleinenfischerei (eigentlich auf Thunfisch oder Schwertfisch ausgerichtet) im offenen Ozean ist vor allem für Hochsee-Arten problematisch, da diese sich häufig mit ihren Migrationsrouten überschneiden. Überlebensraten sind stark artenspeziefisch; Tigerhaie (Galeocerdo cuvier) kommen meist gut mit Fangstress klar, bei anderen Arten liegt die Mortalität wesentlich höher [9]. Dank der ungenügenden weltweiten Überwachung der Fischerei-Industrie sind genaue Daten zu Mortalitätsraten und der Zusammensetzung des Beifangs Mangelware. Für viele Hai-Arten bedeutet die Beifang-Problematik jedoch einen zusätzlichen anthropogenen Stress dem sie ausgesetzt sind.

Geisternetze – verlorene oder anderweitig weggeworfene Fanggeräte inklusive Netze, Leinen und Haken – sind für 10% der marinen Plastikverschmutzung verantwortlich [10]. Obwohl sie nicht mehr aktiv durch Fischer und deren Schiffe geführt werden, erfüllen sie weiterhin ihren Bestimmungszweck: fangen was ihnen in die Quere kommt. Die oft großflächigen Netze treiben ungesehen durch die Ozeane. Wie beim Beifang leidet hier vor allem marine Megafauna – also alles von Haien & Rochen über Schildkröten zu Meeressäugern. Einmal im Netz gefangen wartet eines von drei Schicksalen auf die Tiere: ersticken, verhungern oder gefressen werden.

 

Tourismus

Wildtier-Tourismus ist einer der am schnellsten wachsenden Sektoren der Tourismusbranche. Oft folgt ein starker Wirtschaftsaufschwung für die Region. Allerdings hat dieser das Potenzial, die natürliche Umgebung und dass Verhalten der betreffenden Tiere stark zu verändern.

Ein plakatives Beispiel hierfür ist die Region Oslob im Südwesten der Philippinen. Vor 2011 waren die stillen tropischen Buchten für traumhafte Riffe und vereinzelte Besuche durch Walhaie (Rhincodon typus) bekannt. Bereits im darauffolgenden Jahr hatte sich die Situation dramatisch geändert. Oslob war zur Walhai-Hauptstadt der Welt geworden – und das praktisch über Nacht.

Was ein wahres Wirtschaftswunder für die Region war, fügte den Walhaien im Laufe der nächsten Jahre erheblichen Schaden zu. Diese haben nämlich nicht spontan ihre Migrationsrouten geändert, sondern wurden angelockt – mit einem nie enden wollenden Vorrat an gefrorenen Garnelen [11]. Pünktlich zum Sonnenaufgang fährt eine ganze Flotte ehemaliger Fischer raus in die Buchten um die bereits wartenden Haie zu füttern. Dicht gefolgt kommt eine zweiten Flotte – hunderte Touristen strömen in die Region, um das Schauspiel vom Wasser oder vom Boot aus zu beobachten. Die Urlauber bezahlen gutes Geld für ihren „Whalesharks guranteed“ Trip, um mit Instagram-würdigen Fotos nach Hause zu kommen. Doch auch die Haie zahlen, sei es durch Mangelernährung aufgrund des einseitigen Futters, Verhaltens- und Migrationsänderungen oder – immer öfter – durch Verletzungen. Leider ist es keine Seltenheit Haie mit abgetrennten Rückenflossen oder Propeller-Wunden zu sehen [12]. Das Geschäft „Walhai“ boomt, für Naturschutz oder Einhaltung von Verhaltensregeln bleibt nur selten genug Zeit.

Viele dieser Probleme sind lokal begrenzt, bilden jedoch zusammen ein tödliches Mosaik, dem die Haie chancenlos gegenüberstehen. Eine Bedrohung gilt allerdings weltweit – der immer stärker voranschreitende Klimawandel. Wir denken an schweißtreibende Sommer, unvorhersehbare und extreme Wetterphänomene oder überraschend milde Winter; aber auch die Meere sind spürbar betroffen. Nicht nur steigenden Wassertemperaturen sollten uns Sorgen machen, sondern auch die Auswirkungen auf Meeresbewohner. Haie, die sich dank niedriger Reproduktionsraten nur schwer an die wandelnden Bedingungen anpassen können, brauchen intensive Aufmerksamkeit.

Nächsten Monat tauchen wir ab in die ungesehene Welt des Klimawandels unter Wasser.

Stay tuned!

 

Sei dabei & hilf SHARKPROJECT, einen der Hauptgründe für die sinkenden Populationszahlen der Haie zu verhindern. Ohne Dich Geht’s Nicht – Deine Stimme für ein EU-weites Handelsverbot mit losen Hai-Flossen

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Quellenangaben

[1] Sorenson, L., Santini, F., & Alfaro, M. E. (2014). The effect of habitat on modern shark diversification. Journal of Evolutionary Biology, 27(8), 1536–1548. https://doi.org/10.1111/jeb.12405

[2] Field, I. C., Meekan, M. G., Buckworth, R. C., & Bradshaw, C. J. A. (2009). Chapter 4 Susceptibility of Sharks, Rays and Chimaeras to Global Extinction. In Advances in Marine Biology (pp. 275–363). Elsevier. https://doi.org/10.1016/s0065-2881(09)56004-x

[3] Nielsen, J., Hedeholm, R. B., Heinemeier, J., Bushnell, P. G., Christiansen, J. S., Olsen, J., Ramsey, C. B., Brill, R. W., Simon, M., Steffensen, K. F., & Steffensen, J. F. (2016). Eye lens radiocarbon reveals centuries of longevity in the Greenland shark (Somniosus microcephalus). Science, 353(6300), 702–704. https://doi.org/10.1126/science.aaf1703

[4] Conrath, C. L. & Musick, J. A. Reproductive biology of elasmobranchs. In Biology of Sharks and Their Relatives Carrier (eds J. C. et al.) 291–311 (CRC Press, Boca Raton, 2012).

[5] Gallagher, A. J., Hammerschlag, N., Danylchuk, A. J., & Cooke, S. J. (2016). Shark recreational fisheries: Status, challenges, and research needs. Ambio, 46(4), 385–398. https://doi.org/10.1007/s13280-016-0856-8

[6] & [7] Shiffman, D. S., Gallagher, A. J., Wester, J., Macdonald, C. C., Thaler, A. D., Cooke, S. J., & Hammerschlag, N. (2014). Trophy fishing for species threatened with extinction: A way forward building on a history of conservation. Marine Policy, 50, 318–322. https://doi.org/10.1016/j.marpol.2014.07.001

[8] Kennelly, S. J. (2020). Bycatch Beknown: Methodology for jurisdictional reporting of fisheries discards – Using Australia as a case study. Fish and Fisheries, 21(5), 1046–1066. https://doi.org/10.1111/faf.12494

[9] Gallagher, A. J., Orbesen, E. S., Hammerschlag, N., & Serafy, J. E. (2014). Vulnerability of oceanic sharks as pelagic longline bycatch. Global Ecology and Conservation, 1, 50–59. https://doi.org/10.1016/j.gecco.2014.06.003

[10] Wilcox, C., Heathcote, G., Goldberg, J., Gunn, R., Peel, D., & Hardesty, B. D. (2014). Understanding the sources and effects of abandoned, lost, and discarded fishing gear on marine turtles in northern Australia. Conservation Biology, 29(1), 198–206. https://doi.org/10.1111/cobi.12355

[11] Ziegler, J. A., Silberg, J. N., Araujo, G., Labaja, J., Ponzo, A., Rollins, R., & Dearden, P. (2018). A guilty pleasure: Tourist perspectives on the ethics of feeding whale sharks in Oslob, Philippines. Tourism Management, 68, 264–274. https://doi.org/10.1016/j.tourman.2018.04.001

[12] Araujo, G., Labaja, J., Snow, S. et al. Changes in diving behaviour and habitat use of provisioned whale sharks: implications for management. Sci Rep 10, 16951 (2020). https://doi.org/10.1038/s41598-020-73416-2

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